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Ein besonderes Schulprojekt in Makedonien

Der 2. August 2017 wurde zum Tag der Erinnerung an den Roma-Holocaust erklärt. Während des Zweiten Weltkriegs hatten Tausende Roma in Konzentrationslagern ihr Leben verloren. Die Konferenz Europäischer Kirchen rief nun dazu auf, sich angesichts der schrecklichen Ereignisse der Vergangenheit für Versöhnung und Gerechtigkeit einzusetzen. In einer Zeit, in der neue und alte Vorurteile befeuert würden und in der hasserfülltes Reden Vernunft und Nachdenken ablösten, müssten gerade die Kirchen aktiver als je zuvor sein, um sich für die Würde und Menschenrechte der Roma einzusetzen. Ein Beispiel aus Makedonien zeigt eindrücklich, was dies bedeuten kann.

22 Roma-Kinder aus Ohrid (Makedonien), aufgeteilt in drei Altersgruppen, nehmen derzeit an einem besonderen Schulprojekt der EMK in Makedonien teil. Es ist besonders, weil der Unterricht jeweils am Samstag und am Sonntag von 16 bis 20 Uhr stattfindet (während der Sommerferien jeweils von Montag bis Freitag als vierstündige «Sommerschule»). Und weil die Roma-Kinder zwar üblicherweise zwischen 6 und 14 Jahre alt sind; weil aber sehr ernsthaft nach Wegen gesucht wird, um auch mal ein älteres Kind zu integrieren. Denn längst nicht alle Teilnehmenden besuchten bzw. besuchen auch eine Regelschule – eine Tatsache, welche die Bedeutung dieses Schulprojekts für die Zukunft der Roma-Kinder noch verstärkt.

Natürlich stehen Mathematik sowie Lesen und Schreiben auf dem Stundenplan. Die Lehrerin und ihre Helferin arbeiten aber ganz besonders auch mit denjenigen Kindern, die Sprachstörungen haben. Diese gehen mit viel Eifer ans Werk, weil sie durch die liebevolle Zuwendung ihre Angst überwunden haben, Wörter falsch auszusprechen oder sie in einer falschen Reihenfolge zu verwenden. Zum Unterricht gehören ausserdem beispielsweise Verkehrsunterricht und Stunden über Sicherheit im Strassenverkehr. Bei den Kindern, die eine Regelschule besuchen, liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit auf Nachhilfe. «Wir gehen den Stoff durch, der an der normalen Schule gelehrt wird, bereiten die Kinder auf Tests und Klassenarbeiten vor und helfen ihnen bei den Hausaufgaben», so Julijana Mileska, die Leiterin des Projekts.

Viele Kinder brauchen Ermutigung, damit sie nicht aufgeben, und sie sind angewiesen auf moralische Unterstützung beim Lernen – denn von ihren Eltern erhalten sie beides oft nicht. Weshalb das so ist? Ein Kind, das nicht zur Schule geht, braucht keine besondere Kleidung und kein Pausenbrot. Stattdessen kann es sich um die jüngeren Geschwister kümmern oder Plastikflaschen sammeln und betteln, um zum Familienunterhalt beizutragen…

Immer wieder werden die Verantwortlichen des Schulprojekts auch mit sehr problematischen Familiensituationen konfrontiert – Suchtkrankheit, häusliche Gewalt, Vernachlässigung. Da wird die Schule plötzlich zu einem Heim, in dem die Kinder verstanden und geliebt werden. Ein Zufluchtsort, wo sie Hoffnung finden, auch wenn schwierige Lebensumstände tiefe Spuren hinterlassen haben. Daneben gibt es aber auch Eltern, die sehr dankbar sind für die Hilfe, die ihre Kinder erhalten. Sie haben Vertrauen zu den Verantwortlichen gefasst, und im Laufe der Zeit ist eine erfreulich gute Zusammenarbeit entstanden.

Die Projektverantwortlichen bemühen sich auch um ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn. Julijana Mileska erzählt: «Wir möchten ein gutes Beispiel sein und haben uns auf verschiedene Weise darum bemüht. Vor dem Gebäude sollen die Kinder keinen Lärm machen, sie sollen die Nachbarn grüssen, und sie sollen sich um die Blumen im kleinen Park vor dem Gebäude kümmern. Die erste Gruppe hat den Park mit Blumen bepflanzt – ein wunderbares Erlebnis für die Kinder. Sie freuten sich über das Ergebnis ihrer Arbeit.» Genau dies, dass Kinder aufblühen und nicht nur Blumen im Park, ist für die Verantwortlichen Grund zur Dankbarkeit und Hoffnung.

Im letzten Halbjahr fanden auch zwei Ausflüge statt – für die beiden älteren Gruppen mit einer Übernachtung in einem Hotel. Auf die Frage, was ihnen am besten gefallen hätte, sagten diese Kinder: «Die Zimmer mit den Betten.» Nie zuvor hatten sie in solchen Betten geschlafen, und einige wollten überhaupt nicht mehr nach Hause gehen. Julija Mileska ergänzt: «Eines der Kinder hat viermal gebadet an diesem Abend.» Wie positiv sich die Arbeit auf das Sozialverhalten der Kinder auswirkt, zeigte sich auch darin, dass die Kinder im Restaurant für ihr gutes Benehmen ausdrücklich gelobt wurden.

«Echte Liebe zeigt man nicht durch Worte, sondern durch gute Taten.» Davon ist Julijana Mileska überzeugt. Deshalb setzt sie sich weiterhin für das Schulprojekt für Roma-Kinder in Makedonien ein. Nicht nur, um einen Beitrag zu einer besseren Zukunft für die Kinder zu leisten. Sondern auch, um mit glaubwürdigem Handeln auf den hinzuweisen, bei dem Hoffnung ist, auch wo kein Grund zur Hoffnung mehr zu existieren scheint.

Quelle: Julijana Mileska / Christina Cekov / Urs Schweizer
Datum: 3. August 2017