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Zum 85. Geburtstag von Wilhelm Nausner

Am 17. März 2016 feiert Wilhelm Nausner einen runden Geburtstag. Bischof im Ruhestand Heinrich Bolleter beschreibt Sequenzen aus dem Film, der in seinem Kopf zu laufen beginnt, wenn er an eine sehr intensive und schöne Zeit der Zusammenarbeit denkt.

Wilhelm Nausner arbeitete 55 Jahre in der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa der Evangelisch-methodistischen Kirche mit. Er begann als freiwilliger Mitarbeiter im Alter von 23 Jahren und engagierte sich bis ins Alter von 78 Jahren als Denker, Macher und Netzwerker mit Freude und unverwüstlicher Kraft. Ab 1963 gehörte er der Exekutive der Zentralkonferenz an, von 1973 bis 1997 wirkte er als deren Sekretär.

Wilhelm Nausner zeigte stets eine grosse Bereitschaft, sich in den Ländern Mittel- und Südeuropas als Berater und Planer einsetzen zu lassen. Er brachte auch ein hohes Mass an Kompetenz und Erfahrung mit. Dazu gehörten die selber durchlebten Notzeiten als Flüchtling sowie der langjährige Einsatz im Flüchtlingsdienst der UNO und der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK, von 1964 bis 2008). Seine Verbindungsdienste zu den Methodisten hinter dem «Eisernen Vorhang» waren sehr wichtig. Als Laie hatte er im geteilten Europa grössere Reisemöglichkeiten als sie ein Pastor hatte. Selbst der Bischof konnte während etlicher Jahre nicht offiziell nach Ungarn oder auch nach Bulgarien reisen. Deshalb reiste Wilhelm Nausner als bischöflicher Botschafter hin und her. Er bildete eine wichtige Brücke zum alten Osteuropa. Ab 1974 machte er Besuche in Bulgarien, Ungarn und Jugoslawien. Andere Länder besuchte er im Auftrag der KEK. Wilhelm Nausner verstand es, mit allen Menschen diplomatisch aber konsequent umzugehen – mit den Freunden wie mit den Feinden. So fuhr er mit seinem Auto viele tausend Kilometer, um die Gemeinden und Konferenzen zu besuchen – auch in Krisen- oder Kriegszeiten. Als Sekretär der Zentralkonferenz begleitete Wilhelm Nausner sowohl Bischof Schäfer als auch Bischof Bolleter zu vielen Jährlichen Konferenzen in Südosteuropa. Er half auch sehr nachhaltig bei der Neuorganisation von Konferenzen und der Neuregistrierung der Kirchen nach der politischen Wende mit. Mit einem langen Atem unterstützte er die Kirchenleitungen bei der Verwirklichung neuer Sozialprojekte, Kirchenbauten und in der Katastrophenhilfe. Ich fühlte mich sehr sicher im Beifahrersitz, und ich erinnere mich an viele Gespräche. Unter anderem regte er mich auch an, den Theologen Sören Kierkegaard zu lesen. «Der Liebe Tun» war nicht nur der wichtige Titel eines Werkes von Kierkegaard, sondern zugleich auch eine persönliche Erklärung Nausners über die Motivation seines Einsatzes.

Wilhelm Nausner bewies sich auch als Ökumeniker und als Kenner der Orthodoxen Kirchen in Mittel-und Südeuropa. Zudem ist es nicht übertrieben, hier festzuhalten, dass er als Sekretär der Zentralkonferenz auch bezüglich der Computerisierung der Administration in diesem Gebiet voranging.

In der EMK in Österreich war Wilhelm Nausner ab dem Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg aktiv. Als Rektor des ökumenischen Hilfswerks Servitas (1986-1994) war er massgeblich am Wiederaufbau und an der Unterstützung auch der Orthodoxen Kirchen im Land beteiligt. Die EMK übertrug ihm als Laien wichtige Dienste: Er war Leiter der Eigentumsverwaltung (1964-1994), ausserdem versah er das Amt des Konferenzlaienführers. Später wirkte er als Schatzmeister der Jährlichen Konferenz. Von 1958 bis 1996 beteiligte er sich als Mitglied des Kirchenvorstandes an der Gestaltung und Verwaltung der EMK in Österreich. Das wachsende Diakoniezentrum Spattstrasse in Linz schliesslich zählte auf ihn als Mitglied des Kuratoriums und, von 1998 bis 2011, als dessen Vorsitzender.

Von 1996 bis 2008 lebte Wilhelm Nausner seine Berufung zum Superintendenten der EMK in Makedonien. In einer ausserordentlichen Situation wurde er als erfahrener Laie mit dieser Aufgabe betraut – und sein Dienst hatte Auswirkungen, die weit über die Kirche hinaus reichten. Deshalb verlieh ihm der Präsident der Republik Makedonien am 7. Oktober 2008 für seine Verdienste um das makedonische Volk die höchste Auszeichnung. Er würdigte dabei seine humanitär-sozialen Initiativen, angefangen von der Hilfe für die Opfer des Erdbebens von Skopje (1963) über die humanitären Aktionen im Blick auf die dramatischen Begebenheiten im Laufe der 1990er-Jahre bis hin zu der sehr gut organisierten Sozialarbeit des «Miss Stone»-Zentrums in Strumica. Anerkennende Erwähnung fand gleichzeitig auch sein Beitrag zur Affirmation des jungen makedonischen demokratischen Staates und zur Festschreibung einer Verfassung für die EMK in Makedonien. An der außergewöhnlichen Begegnung nahm neben einer Delegation der EMK auch der österreichische Botschafter in Makedonien teil. Dass zudem mehrere der höchsten Vertreter der anderen Kirchen und Glaubensgemeinschaften in Makedonien anwesend waren, so Erzbischof Stefan von der Makedonisch-Orthodoxen Kirche, Dr. Kiro Stojanov, Bischof der Katholischen Kirche, und Reis Suleiman Recepi, höchster Vertreter der Islamischen Gemeinschaft, machte deutlich, wie sehr das methodistische Engagement für Frieden und eine Zukunft in Makedonien geschätzt wurde.

Im Gebiet des westlichen Balkans standen 2008 einige Veränderungen bevor. Kroatien und Albanien waren bisher unter der direkten Aufsicht des Bischofs geführt worden. Auf diesen Zeitpunkt sollte unter der Aufsicht eines in der Region ansässigen, erfahrenen Pastors die EMK in Albanien aufgebaut werden. In Makedonien fand die Übergabe von Wilhelm Nausner an Wilfried Nausner an der Konferenz im Herbst 2008 statt.
Mehr als einmal musste Wilhelm Nausner wegen schwerer Erkrankung pausieren. Aber jedes Mal stand er wieder vom Krankenlager auf und nahm seinen geschätzten Dienst erneut auf. Vor rund zehn Jahren sagte er nach einem Eingriff am Herzen an der Konferenz in Strumica: «Ich bin Gott dankbar, dass ich heute unter euch sein darf. Ich fühle mich gesund. Langsam und mit Freude setze ich mein normales Leben wieder fort und versuche, die damit verbundenen Pflichten wieder zu erledigen.» Das ist Wilhelm Nausner!

Seit 2008 lebt Wilhelm Nausner zusammen mit seiner Frau Helene im verdienten Ruhestand in Linz, Österreich. Sein Leben ist ruhiger geworden, und wir wünschen ihm, dass er die vielen Reisen, Aufgaben und Begegnungen nicht vergisst und Gott dankt für den Weg, den er ihn geführt hat. Auch der Schreibende schaut heute noch gerne auf die reichen Erfahrungen zurück. Wilhelm Nausner ist ein Beispiel für die Nachfolge Christi, ein Beispiel des Glaubens, der in der Liebe tätig ist.

Im Namen vieler grüsse ich den Jubilaren zum 85. Geburtstag und wünsche ihm ein frohes Fest im Kreis seiner Lieben.

Autor: Bischof i.R. Heinrich Bolleter
Datum: 2. März 2016