Logo

Zum Tod von Wilhelm Nausner

Wilhelm Nausner wurde am 30. April 2018 nach einem langen und arbeitsreichen Leben im Alter von 87 Jahren von Gott abberufen. 
 
Geboren am 17. März 1931 als Kind methodistischer Missionare, Ernst und Erna Nausner, in Srednie Siolo, damals Polen. Besuch der Volksschule in Srednie Siolo und Königsberg, Preussen. Dann Besuch der Mittelschule zwischen 1942 und 1948 in Königsberg, Schröttersburg (Südostpreussen) und Linz. Schulbesuch unterbrochen durch Flucht und Kriegsdienst. Kein Schulabschluss. 
 
1948 bis 1949 Hilfsarbeiter bei einer Baufirma in Linz. 
1950 bis 1951 Angestellter der Methodistenkirche in Linz als Verwalter und Helfer bei der Verteilung von Hilfsgütern. 
1951 bis 1956 unter anderem Ausbildung als Reproduktionstechniker für Offsetdruck in Wiesbaden und München sowie anschliessend leitende Tätigkeit in diesem Berufsfeld.
1956 bis 1958 Angestellter der UNO als Eingliederungsberater für den Hochkommissar für Flüchtlinge der UNO in Oberösterreich.
1958 bis 1967 Angestellter beim Flüchtlingsdienst des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf. Ab 1958 Leiter der Dienststelle in Linz, ab 1965 Leiter der gesamten Hilfsdienste des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich.
1968 bis 1992 Angestellter der Servitas, als Rektor und Obmann. 
1. Januar 1992 Eintritt in den Ruhestand.
 
Hier sind zwar einige Daten eines beeindruckenden Lebens festgehalten. Aber es sind letztlich nur dürre Zahlen, die wenig über Wilhelm Nausner als Person aussagen. Er war ein überzeugter Christ, der sich nicht scheute, seine Überzeugung auszusprechen und zu verteidigen. Er war ein immer Lernender. Ununterbrochen las er und bemühte sich, zu allen Fragen des privaten und öffentlichen Lebens seine persönliche Meinung und Position zu finden. Dabei war er offen für andere Positionen und Perspektiven und bereit zu offenem und kritischem Gespräch.
 
Ehrenamtliche Aufgaben in der Evangelisch-methodistischen Kirche
Zwischen 1958 und 1996 war Wilhelm Nausner Mitglied des Kirchenvorstandes der EMK in Österreich. Um den vorhandenen Besitz an Häusern und Grundstücken professionell zu verwalten, errichtete er mit Zustimmung des Kirchenvorstandes die Eigentumsverwaltung der Methodistenkirche im Jahre 1964 und war deren Leiter bis 1994. Zwischen 1969 und 1988 war er Konferenzlaienführer. In dieser Funktion ermutigte er Laien zur Mitarbeit in der Kirche, förderte den regelmässigen Austausch unter ihnen und vertrat ihre Anliegen in den Sitzungen der Jährlichen Konferenz. Er war zwischen 1988 und 1996 Kassier der Jährlichen Konferenz. 1988 wurde er in das Kuratorium des Zentrums Spattstrasse berufen und war lange Jahre dessen Vorsitzender.
 
Auch auf der Ebene der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa übernahm er verschiedene Aufgaben. 1963 wurde er Mitglied des Exekutivkomitees und übte zwischen 1973 und 1997 die Rolle des Sekretärs der Zentralkonferenz aus. In der Zeit des Eisernen Vorhangs bereiste er allein oder in Begleitung der Bischöfe Franz Schäfer und Heinrich Bolleter die Jährlichen Konferenzen in Polen, Tschechoslowakei, Ungarn, Serbien, Makedonien und Bulgarien. Er half den Superintendenten in diesen Ländern funktionierende Kirchenbüros einzurichten und versorgte sie mit Computern, Druckmaschinen sowie Kopiergeräten und organisierte die dafür notwendigen finanziellen Mittel. Als er schon längst das Ruhestandsalter erreicht hatte, übte er 12 Jahre lang die verantwortliche Aufgabe des Superintendenten der EMK in Makedonien aus. Sein engagierter Dienst hinterliess Spuren bis weit in die Gesellschaft hinein, und so war es kein Zufall, dass er sowohl in Bulgarien als auch in Makedonien, wo die EMK eine kleine Minderheitskirche ist, bedeutende Auszeichnungen von politischen Verantwortungsträgern entgegennehmen konnte.
 
Auf europäischer Ebene engagierte sich Wilhelm Nausner ebenfalls. Er war Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Europäischer Zentralkonferenzen der EMK. Nach 1993 wurden auch die Konferenzen der Britischen Methodistenkirche eingeladen, sich europaweit zu engagieren. So kamen die Engländer, Portugiesen und Italiener dazu. Beim 1993 neu gegründeten «Europäischen Rat Methodistischer Kirchen» arbeitete er noch bis zum Jahre 2000 mit.
 
Ehrenamtliche Aufgaben im Bereich der Diakonie
Bis 1956 kümmerte sich die UNO und die Flüchtlingsabteilung des Ökumenischen Rates in Genf um die Eingliederung der vielen Flüchtlinge, die im Jahre 1945 nach Österreich gekommen waren. Im Jahre 1956 ereignete sich ein Volksaufstand in Ungarn gegen das kommunistische Regime. Der Aufstand wurde von der sowjetischen Armee niedergeschlagen. Im Herbst 1956 kamen mehr als 200‘000 Flüchtlinge nach Österreich. Wilhelm Nausner war im Auftrag des Ökumenischen Rates sehr engagiert in der Hilfe für die Ungarnflüchtlinge. Es gelang ihm auch, die methodistischen Gemeinden in Graz, Wien und Linz für die Mitarbeit zu gewinnen. In Wien wurde ein Haus für unbegleitete Mädchen erbaut und in Linz ein Haus für unbegleitete junge Männer. Beide Häuser wurden 1958 eröffnet. Aus dem Haus in Linz entwickelte sich in den nachfolgenden Jahren das Zentrum Spattstrasse. In Salzburg wurde durch Nausners Initiative 1959 ein Haus für russisch-orthodoxe Flüchtlinge des Zweiten Weltkriegs erbaut, die bis dahin immer noch in Barackenlagern gehaust hatten. Dies war ein Beispiel seines grossen Anliegens, bei allem Einsatz für die Flüchtlinge aus Ungarn die sogenannten Altflüchtlinge nicht zu vergessen.
 
Wilhelm Nausner war wesentlich an der Neuaufstellung des Diakonischen Werkes in Österreich (heute Diakonie Österreich) im Jahr 1968 beteiligt. Sein Engagement und seine Mitarbeit in verschiedenen verantwortungsvollen Funktionenwurden von den anderen Mitgliedern des Diakonischen Werkes sehr geschätzt. Das Land Oberösterreich zeichnete ihn für all diese Verdienste im Jahr 1996 mit dem silbernen Ehrenzeichen aus.
 
Ehrenamtliche Tätigkeit im weiteren Bereich der Ökumene
Die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) wurde im Jahr 1959 in Nyborg, Dänemark, konstituiert. War der Ökumenische Rat der Kirchen in Genf für die ganze Welt zuständig, so sollte die Konferenz Europäischer Kirchen die Fragen ökumenischer Zusammenarbeit innerhalb Europas fördern und koordinieren. Bei der 3. Vollversammlung der KEK 1961, die aus politischen Gründen auf einem Schiff tagte und in internationalen Gewässern kreuzte, um kirchlichen Vertretern aus der DDR die Teilnahme zu ermöglichen, wurde Wilhelm Nausner Mitglied der KEK als Vertreter der Methodistenkirche. Er engagierte sich bei vielen Projekten und war zwischen 1967 und 1982 Mitglied des Beratenden Ausschusses, des damaligen Leitungsgremiums der KEK. Durch seine vielen Reisen in Ländern des Ostblocks stiftete er besonders bei den orthodoxen Kirchen in Serbien, Rumänien und Russland Vertrauen. Die vielen Ikonen in seiner Wohnung spiegeln die Dankbarkeit und Freundschaft orthodoxer Bischöfe. In den Jahren 1984 bis 2001 war er Vorsitzender des Finanzausschusses der KEK.
 
In all den Jahren war ihm seine in Rumänien geborene Ehefrau Helene eine treue und fleissige Begleiterin. Dem Ehepaar wurden acht Kinder geschenkt – und trotzdem blieb noch Zeit für eine herzliche Gastfreundschaft und für viele andere Engagements, insbesondere im Bereich der Arbeit mit Mädchen und Frauen. Helene Nausner starb einen Tag vor ihrem Ehemann Wilhelm, am 29. April 2018, im Alter von 89 Jahren. Ein Nachruf findet sich hier: http://www.emk.at/blog/wie-deine-tage-so-deine-kraft
 
Wo immer Wilhelm Nausner sich engagierte, ging es ihm nie darum, sich in den Vordergrund zu spielen. Er wirkte immer mehr im Hintergrund. Wichtig war für ihn, Brücken zu bauen. Brücken, die ermöglichten, dass Menschen in Not Hilfe erhielten und dass Vertrauen zwischen so vielen unterschiedlichen Mitwirkenden entstand und befestigt wurde.
 
Quelle: Dr. Roland Siegrist / Professor Helmut Nausner