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Im kirchlichen Dienst während und nach der Zeit der kommunistischen Herrschaft

Der Aufruf aus Jeremia, sich für das Wohlergehen der Stadt einzusetzen, dient als Lebensmotto für den heute pensionierten ungarischen Pastor István Csernák. Sein Dienst erstreckte sich über mehr als vier Jahrzehnte. In dieser Zeit erlebte er den Übergang seines Landes aus dem Kommunismus in eine repräsentative Demokratie. Gleichzeitig wandelte sich seine Kirche von einer zurückgezogenen Gemeinschaft zu einer, die das Evangelium Christi offen verkündigen konnte.
 
Pastor Csernáks Dienst begann, als er 18 Jahre alt war. Ein Freund lud ihn ein, mit dem Bus – Sonntag für Sonntag – in die kleine Stadt Alsózsolca in Nordungarn zu fahren, um dort in der kleinen methodistischen Gemeinde im Roma-Viertel Sonntagsschule zu geben. Es gab kein Kirchengebäude, und so trafen sie sich in den Häusern der Roma-Gemeindemitglieder, um in der Bibel zu lesen und Kirchenlieder zu singen. Anschliessend spielten sie miteinander Fussball und nahmen am Leben der anderen teil.
 
Was er für eine einfache Einladung zum Unterrichten in der Sonntagsschule gehalten hatte, wurde zu einer lebensverändernden Erfahrung. Er wurde in seinem Innersten erschüttert, als er die extreme Armut und Diskriminierung der marginalisierten Roma-Gemeinschaft erkannte. Hier spürte er zum ersten Mal den Ruf zum vollzeitlichen Dienst. Es dauerte aber noch mehrere Jahre des Gebets und der Entscheidungsfindung, bis er schliesslich den Ruf annahm. Er studierte zunächst Betriebswirtschaft und arbeitete nach dem Gymnasium in den Büros einer staatlichen Farm. Während dieser Zeit begann er sein Theologiestudium in Budapest. Bald zwang der grosse Mangel an Pastoren in Ungarn die Kirche, ihn in den vollzeitlichen Dienst in der Gemeinde in Miskolc zu senden, wo er arbeitete, während er sein Theologiestudium in Teilzeit fortsetzte. In dieser Gemeinde lernte er auch seine wichtigste Partnerin im Dienst kennen, seine Frau Eva.
 
Pastor Csernák wurde 1984 ordiniert und war bis zum Fall des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989 in mehreren Gemeinden tätig. Zuvor hatte die kommunistische Regierung die Kirche gezwungen, in Isolation und Abgeschiedenheit zu arbeiten. Nun waren sie plötzlich frei, das Evangelium offen zu verkünden. Doch der Übergang war nicht einfach. «Wir waren auf die neue Freiheit, die mit der dramatischen und plötzlichen Veränderung kam, nicht vorbereitet», sagte Pastor Csernák. «Wir waren überwältigt und brauchten Zeit, um unsere eigene Mentalität zu ändern und die Chancen zu ergreifen.»
 
Er und andere hatten keine Erfahrung in der Ausübung des Dienstes ausserhalb der Kirchenmauern. Bis zu diesem Zeitpunkt war soziales, öffentliches Engagement der Kirche von der Regierung nicht erlaubt. Als Pfarrer Csernák 1996 Superintendent wurde, führten er und der zuständige Bischof Heinrich Bolleter (Schweiz) die Kirche durch eine Zeit der Transformation. Die EMK in Ungarn begann, ausserhalb der Kirche zu wirken. Sie bildete neue Glaubensgemeinschaften, baute Kirchen, besuchte Gefangene und gründete sogar ein Altersheim. Familien-Sommerlager wurden zu einem Markenzeichen. Die ganze Familie Csernák spielte eine Rolle und nutzte die neuen Möglichkeiten, jungen Familien christliche Werte zu vermitteln.
 
Ein weiterer Höhepunkt für die Familie Csernák war, als Eva eingeladen wurde, einer von Bischof Rüdiger Minor geleiteten Arbeitsgruppe beizutreten, der damals gerade seinen Dienst in Moskau angetreten hatte. Die Arbeitsgruppe sollte Möglichkeiten für die methodistische Mission in den Mitgliedsstaaten der ehemaligen Sowjetunion erkunden. Ein Beispiel für die Arbeit der Arbeitsgruppe war die Verstärkung der methodistischen Präsenz in der Karpatenregion der benachbarten Ukraine, die einige Jahre lang Teil der Jährlichen Konferenz in Ungarn war, bevor sie dem eurasischen Bischofsgebiet zugeordnet wurde.
 
Die Verbindung mit der weltweiten Kirche wurde durch die gemeinsame Seelsorgearbeit in Europa und innerhalb der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa gestärkt. Darüber hinaus förderte das Programm «In Mission Together» der weltweiten Missionsbehörde der EMK Partnerschaften und Zusammenarbeit zwischen Gemeinden im östlichen Mitteleuropa und auf dem Balkan sowie in den USA.
 
Pfarrer Csernák, der 2016 nach 44 Dienstjahren in den Ruhestand ging, erinnert sich, wie viel die Öffnung der Grenzen und das Ende des Kalten Krieges für die Mitglieder der kleinen Kirche in Ungarn bedeuteten. «Wir waren begeistert und ermutigt, zu sehen, wie die weltweite methodistische Familie ihre Hände in Solidarität der kleinen methodistischen Gemeinschaft in Ungarn entgegenstreckte», erinnert er sich.
 
Quelle: Thomas Kemper, Deutschland (Berater für den Pensionsfonds für Zentralkonferenzen)
 
 
Dieser Artikel erschien in einer Publikation des Pensionsfonds für die Zentralkonferenzen, der gegründet wurde, um pensionierten Pastorinnen und Pastoren in Ländern ausserhalb der USA zu helfen, ein Leben in Würde zu führen, ohne dass sie im Ruhestand arbeiten müssen, um zu überleben.