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Weil es nicht selbstverständlich ist

Das Miss-Stone-Zentrum der Evangelisch-methodistischen Kirche in Nordmazedonien versorgt unter anderem mehr als 250 Menschen fünfmal pro Woche mit einer warmen Mahlzeit. In den vergangenen Jahren wurden die Kapazitäten mehrfach erhöht, weil die Not so gross ist. Ohne das bewundernswerte Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wäre eine solche gelebte Nächstenliebe nicht denkbar. Umso herausfordernder stellt sich die Situation dar, wenn sich das selbstverständlich zu sein Scheinende plötzlich als gar nicht so selbstverständlich herausstellt…
 
Vor 15 Jahren hatte Susana Tabanova als Assistentin in der Küche des Miss-Stone-Zentrums zu arbeiten begonnen. Als der damalige Chefkoch seine Stelle kündete, um eine neue Aufgabe im Ausland anzunehmen, absolvierte die interessierte und engagierte Susana Tabanova eine Ausbildung zur Köchin und erhielt das notwendige Zertifikat, um die Leitung der Küche des Miss-Stone-Zentrums übernehmen zu können. Seither stand sie jeweils schon am sehr frühen Morgen an ihrem Arbeitsplatz und trug mit einer grossen Liebe zur Sache und zu den Menschen ganz wesentlich dazu bei, dass das Miss-Stone-Zentrum für eine beeindruckend grosse Zahl an Menschen zu einer Quelle der Hoffnung wurde.
 
Plötzlich erkrankte Susana Tabanova aber ernsthaft, und weil sie nicht mehr Dampf und Hitze ausgesetzt sein darf, kann sie auch nicht mehr als leitende Köchin in der Küche arbeiten. Sie wird entgegen allen Plänen hinsichtlich einer Verlängerung ihrer Tätigkeit aus diesen gesundheitlichen Gründen schon sehr bald in den Ruhestand treten müssen.
 
Dies ist nicht nur menschlich eine schwierige Situation – die Verantwortlichen standen unvermittelt auch vor der Gefahr, die Genehmigung für den Betrieb der Miss-Stone-Küche zu verlieren, da die gesetzlichen Vorschriften für eine solche Einrichtung die Anstellung einer ausgebildeten Köchin oder eines ausgebildeten Koches erfordern. Für die Bezügerinnen und Bezüger der Mahlzeiten wäre eine zeitweise Schliessung des Zentrums aber eine äusserst schwierige Situation gewesen.
 
Bei der Suche nach einer neuen Lösung wiederholte sich ein Problem, das die Verantwortlichen schon vom ebenfalls zum Miss-Stone-Zentrum gehörenden Hauspflegeprojekt kannten: Es sind nicht nur gut ausgebildete Fachkräfte im Bereich des Gesundheitswesens, die nach Westeuropa abwandern und in Nordmazedonien einen grossen Mangel verursachen. Vielmehr suchen sich auch Köchinnen und Köche Arbeitsstellen im Ausland, wo sie mehr verdienen können als in ihrer Heimat – im Sommer beispielsweise an der Adriaküste in Kroatien.
 
In zahlreichen Gesprächen kristallisierte sich heraus, dass die bisherige Assistentin Spasenka Madevska bereit sein würde, die Verantwortung für die Miss-Stone-Küche zu übernehmen. Nur: Sie ist keine ausgebildete Köchin, es war schlicht keine Zeit, um eine entsprechende Ausbildung zu absolvieren – und ohne die notwendigen Papiere würde die Betriebsgenehmigung für das Miss-Stone-Zentrum entzogen werden. Der Exekutivdirektor der Diakonie Nordmazedonien schaffte es schliesslich nach vielen Gesprächen mit dem Direktor einer Privatuniversität, mit einem Empfehlungsschreiben und mit dem Nachweis einer bereits siebenjährigen Tätigkeit in der Miss-Stone-Küche, dass sich Spasenka Madevska direkt zur Berufsprüfung anmelden konnte. Schon wenige Stunden später war es amtlich: Spasenka Madevska hatte die Prüfung bestanden und war im Besitz der erforderlichen Papiere, die eine ununterbrochene Weiterführung des Betriebs der Miss-Stone-Küche sicherstellen. Nun geht es darum, noch eine Assistentin oder einen Assistenten einzustellen, um die Küchencrew des Miss-Stone-Zentrums wieder zu komplettieren. Aus den beschriebenen Gründen ist dies eine Herausforderung – die Verantwortlichen vertrauen aber auf Gott, dass er sich auch weiterhin als der verlässliche Helfer erweisen wird, der er schon immer war.
 
Man könnte dies alles als Randnotiz abtun, als eine personelle Veränderung in einem Betrieb, wie es sie nun mal immer wieder gibt. Aber es ist nicht einfach eine Randnotiz, sondern zeigt auf, wie das, was selbstverständlich zu sein scheint, genau dies nicht ist. Dass auch eine stabile Einrichtung wie das Miss-Stone-Zentrum in Nordmazedonien trotz eines eindrücklichen Engagements der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine Selbstverständlichkeit ist, sondern ein verletzliches Werk der Nächstenliebe. Es braucht deshalb finanzielle Mittel, um notwendige Gehälter bezahlen zu können – daran besteht kein Zweifel. Aber es zeigt auf, weshalb die Verantwortlichen des Miss-Stone-Zentrums auch dankbar sind für alle Unterstützung im Gebet. Weil sie wissen, dass nicht alles in ihren Händen liegt. Und weil ihnen bewusst ist, dass es nicht selbstverständlich ist, dass sie ihren Dienst unter armen und notleidenden Menschen in Nordmazedonien auch weiterhin tun können.
 
Quelle: Martin Konev, Diakonie Nordmazedonien / Urs Schweizer, Assistent des Bischofs, Zürich