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Entspannung in Sicht?

In zahlreichen europäischen Ländern sind nach Wochen des Lockdowns Teilöffnungen beschlossen und umgesetzt worden. Auch wenn es Silberstreifen am Horizont geben mag – die Realität sieht für viele Personen immer noch sehr schwierig aus.
 
Martin Konev, Projektleiter des Miss Stone-Zentrums in Strumica (Nord-Mazedonien) berichtete Ende April mit Dankbarkeit darüber, dass es unter den rund 200 Personen, die im Rahmen des Programms «Essen auf Rädern», des Hauspflegedienstes und des Programms «Warme Mahlzeit für Radovish» regelmässige Hilfe erhielten, bisher zu keinen Infektionen durch das Corona-Virus gekommen sei. Auch die Angestellten hätten sich bisher wirksam schützen können. Umfassende Sicherheitsvorkehrungen sollten dafür sorgen, dass dies auch so bleibe.
 
Auch die Engpässe im Blick auf die Lebensmittel hätten überwunden werden können. Die Märkte und Läden seien wieder geöffnet, und fast alle Nahrungsmittel seien wieder erhältlich, auch wenn sie derzeit teurer seien als vorher. Und da das Miss Stone Center seinen Angestellten eine Sondergenehmigung ausstellen könne, um zur Arbeitsstelle und wieder nach Hause fahren und um sich auch bei der Arbeit ungestört bewegen zu können, seien auch Einschränkungen der Bewegungsfreiheit kein unüberwindbares Hindernis.
 
Schwierig und mit Kosten verbunden sei allerdings ein Austausch der Warmhalte-Behälter gegen Einmalgeschirr, um den Hygiene-Vorschriften entsprechen zu können. Das Miss Stone-Zentrum habe so ziemlich alles, was in den Lagern in Nord-Mazedonien vorrätig war, aufgekauft, um weiterhin handlungsfähig zu bleiben und Bedürftigen helfen zu können.
 
Im westlichen Nachbarland Albanien gibt es regionale Unterschiede im Blick auf die Bewegungsfreiheit. Tirana und Durrës mit der höchsten Infektionsrate des Landes gelten als «rote» Gebiete, Elbasan, Pogradec und Librazhd sind als «grüne» Gebiete eingestuft worden. Dies bedeutet, dass sich in letzteren Orten auch wieder kleine Gruppen der EMK-Gemeinden treffen dürfen. Pastor Mustafa Isufi lädt deshalb mehrmals pro Woche drei oder vier Familien in die Kirche in Pogradec ein, um gemeinsam in der Bibel zu lesen, zu beten – und einen Kaffee zu geniessen. Zeichen einer vorsichtigen Öffnung sind auch Lockerungen der Ausgehverbote. Reisen und Spazieren ist in den «grünen» Gegenden erlaubt; in den «roten» Gebieten ist Autofahren allerdings nach wie vor untersagt, und Ausgang gibt es nur mit einer speziellen Erlaubnis. Die Verantwortlichen der Gemeinden engagieren sich stark und auf kreative Weise, um den Zusammenhalt in dieser schwierigen Zeit zu stärken und um das Evangelium weiterzugeben – auch mit ganz konkreten Taten. Viele Menschen, die sich eben erst von den Folgen der Erdbeben im November 2019 erholt hatten, haben nun als Folge der Corona-Krise ihre Arbeit und ihr Einkommen verloren. Einen Sozialplan gibt es für sie nicht. Und so versuchen die Verantwortlichen der EMK-Gemeinden durch die Abgabe von Lebensmittelpaketen, ein ermutigendes und hilfreiches Zeichen der Hoffnung und der Liebe zu setzen.
 
In Rumänien sind Verantwortliche der Gemeinde in Cluj durch eine diakonische Organisation im Kontakt mit Kindern eines Waisenheims. Für fünf junge Frauen, die zu alt sind für das Heim, in dem sie aufgewachsen waren, haben sie nun eine Wohnung gemietet, damit sie in dieser schwierigen Zeit eine Bleibe haben. Auch drei junge, alleinerziehende Mütter, werden unterstützt. Sie sind ebenfalls zu alt für ihr früheres Heim – und sie erhalten weder Unterstützung von den Kindesvätern noch finden sie in der aktuellen Situation eine Arbeitsstelle, um auf eigenen Beinen stehen zu können. Schliesslich haben rund 30 Roma-Familien in Dörfern rund um Cluj-Napoca Lebensmittel- und Hygiene-Pakete erhalten – eine Hilfsaktion, die auch in den kommenden Wochen weitergehen soll.
 
Auch in Serbien werden elektronische Medien genutzt, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, an Gottesdiensten teilzunehmen. Es kam zu starken postalischen Einschränkungen, weshalb das Telefon ein umso wichtigeres Werkzeug der gegenseitigen Ermutigung und der Vernetzung wurde. In Kisac beispielsweise wurde aber auch regelmässig ein «Gottesdienstblatt» hergestellt und persönlich verteilt. Immer wieder wurde dabei deutlich, wie sehr die Menschen in dieser sehr schwierigen Situation die gemeinsamen Gottesdienste oder auch das gemeinsame Singen vermissen. Die Sehnsucht ist gross, sich wieder versammeln zu dürfen – notfalls auch im Garten, wo grössere Abstände eingehalten werden können. Die sehr streng ausgestaltete Ausgangssperre (12 Stunden an den Werktagen, 24 Stunden an den Wochenenden) ist nun zwar etwas gelockert worden; noch ist aber unklar, wann und unter welchen Umständen wieder Gottesdienste gefeiert werden können. Oder ob zum Beispiel der Kindergarten KORAB in Pivnice vor Ende des aktuellen Schuljahres nochmals geöffnet werden kann.
 
Egal ob in Nord-Mazedonien, Albanien, Rumänien oder Serbien: Die Verantwortlichen der EMK stellen immer wieder unter Beweis, dass Liebe keine Frage der Grösse ist. Und weil sie dies tun, können Menschen aufatmen und Hoffnung schöpfen für ihren je eigenen Weg in eine Zukunft, die trotz Entspannungszeichen noch im Ungewissen liegt.
 
Urs Schweizer
Assistent des Bischofs Patrick Streiff