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Wärme und Hoffnung in Bulgarien

Am Rande der Antarktis befindet sich der Lyaskovets Peak (1473m) – ein nach der bulgarischen Kleinstadt Lyaskovets benannter Berg. Zwar beträgt die Jahres-Durchschnittstemperatur in Mittelbulgarien nicht wie im antarktischen Landesinnern -50° Celsius. Dafür herrscht da und dort eine Kälte, die nicht mit dem Thermometer gemessen werden kann. Eine kleine methodistische Gemeinde hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Lyaskovets Wärme und Hoffnung zu verschenken.
 
In den Neunziger Jahren kam Pastor Ivan Morunov in die frühere bulgarische Hauptstadt Veliko Tarnovo. Sein Ziel für die dortige EMK-Gemeinde war nicht nur, das Bestehende zu verwalten. Vielmehr wollte er auch neue Wege finden, um das Evangelium mit Worten und Taten weiterzugeben. In der 12km nordöstlich gelegenen Kleinstadt Lyaskovets öffnete sich bald darauf eine verheissungsvolle Tür, und zusammen mit seiner Frau Anna gründete er 1999 eine neue methodistische Gemeinde. Von Anfang an engagierte sich diese Gemeinde stark mit und für Menschen der zahlenmässig grossen örtlichen Roma-Gemeinschaft – und insbesondere für Roma-Kinder. Ivan und Anna Morunov hatten schnell erkannt, dass die öffentlichen Schulen den besonderen Bedürfnissen dieser Kinder nicht gerecht werden konnten. Aufgrund ihrer familiären Situation und ihrer Lebensbedingungen waren diese Roma-Kinder benachteiligt und benötigten zusätzliche Hilfe durch ausserschulische Programme.
 
Zuerst fanden die Aktivitäten in einem kleinen Raum statt. Doch weil die Roma-Kinder hier eine Zuwendung und Wärme erfuhren, die sie anderswo nicht fanden, war der Raum bald überfüllt. So wurde die Idee geboren, ein Kinderzentrum für die Arbeit mit Kindern aus Roma-Familien zu schaffen. Das Ziel war von Anfang an, nicht nur kurzfristige Not zu lindern, sondern Perspektiven für die Zukunft zu eröffnen. Deshalb erhielt das Kinderzentrum den Namen «Brücke der Hoffnung».
 
Oft arbeiten die Eltern der Roma-Kinder im Ausland oder sind geschieden – und die Grosseltern können sich nicht ausreichend um ihre Enkel kümmern. Aus diesem Grund haben die Kinder grosse Schwierigkeiten, sich auf die Schule vorzubereiten, und sie bleiben deutlich hinter anderen Kindern zurück. Die Unterstützung beim Erlernen des Lehrstoffs wurde somit zur ersten Hauptaufgabe des Zentrums. Durch die Anstellung einer pensionierten Lehrerin konnte eine professionelle Unterstützung im Blick auf die Schulvorbereitung sichergestellt werden. In einem zweiten Schritt wurde eine Betreuung jüngerer Kinder, die nicht den Kindergarten besuchten, organisiert.
 
Bald zeigte sich aber, dass das alte Gebäude der Kirche, in dem das Zentrum untergebracht war, einer dringenden Renovation unterzogen werden musste. Dank der finanziellen Unterstützung aus Waiblingen (Deutschland) wurde aber nicht nur eine Weiterführung der bisherigen Aktivitäten ermöglicht. Vielmehr wurde auch Platz geschaffen für die Arbeit mit zusätzlichen Kindern unterschiedlichen Alters und für weitere Aktivitäten in den Bereichen Musik, Kochen, Computer, Fremdsprachen, Sport, Gartenarbeit, Kreativität usw. Ausserdem erhalten die rund 30 Kinder und Jugendlichen im Zentrum auch eine tägliche vollwertige Mahlzeit.
 
Die Tatsache, dass in der «Brücke der Hoffnung» ohnehin gekocht wurde, bewegte die Gemeinde dazu, während der Wintermonate jeweils auch obdachlose Menschen mit warmen Mahlzeiten zu versorgen. Eine zusätzliche Erweiterung erfolgte, als begonnen wurde, auch 20 türkischsprachigen Kindern einer Schule in Veliko Tarnovo eine tägliche warme Mahlzeit abzugeben.
 
Die Arbeit des Zentrums wird von den örtlichen Behörden sehr geschätzt, und die Leitungspersonen und Mitarbeitenden geniessen seitens der Eltern wie der politischen und schulischen Verantwortlichen ein grosses Vertrauen – auch deshalb, weil sie nicht selbstbezogen agieren, sondern bewusst eine sehr enge Kooperation mit den beiden Schulen der Stadt und einigen Nichtregierungsorganisationen suchen. Auf diese Weise wird nicht nur eine warme familiäre Atmosphäre geschaffen, die Kinder und ihre Angehörigen spüren und so schätzen. Vielmehr kann auch die Fortsetzung der Ausbildung der Kinder gefördert werden – und durch entsprechende Aufklärungsarbeit können zum Beispiel auch frühe Eheschliessungen verhindert werden. Das Zentrum hilft einigen Schülern, ihre Transportkosten zu bezahlen, wenn sie ihre Ausbildung in Veliko Tarnovo fortsetzen. Für einige Studenten werden zudem Stipendien an der dortigen Universität bereitgestellt. Einige der Kinder aus dem Zentrum haben denn auch schon universitäre Abschlüsse in Pädagogik und Sozialfürsorge erworben.
 
Inzwischen bereitet sich das Zentrum darauf vor, mit der zweiten Generation von Kindern zu arbeiten, sind doch einige der ersten Kinder, welche die «Brücke der Hoffnung» besucht hatten, bereits selber Eltern. Auf diese Weise wird eine Beziehung aufgebaut, die über den Moment hinaus einen segensreichen Einfluss auf zukünftige Generationen hat, und die Bedingungen für eine bessere Zukunft für Kinder und ihre Familien schafft. Es ist eine echte Brücke der Wärme, der Menschlichkeit und der Hoffnung für viele Menschen in herausfordernden Zeiten.
 
Ivan Morunov (64) ist Pastor der EMK in Bulgarien. Seine ganze Familie ist auf vielfältige Weise in die Aktivitäten des Zentrums «Brücke der Hoffnung» eingebunden – seine Frau Anna, die Tochter Denitsa, der Sohn Christian und sogar die Enkelin Joanna.
 
Quelle: Superintendent Daniel Topalski, Varna (Bulgarien) / Urs Schweizer, Assistent des Bischofs, Zürich (Schweiz)