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Weil es hell ist

Wenn die Dauer der natürlichen Beleuchtung durch direktes Sonnenlicht zunimmt, hat dies oft eine positive Wirkung auf die Menschen – eine Tatsache, auf die auch Männer und Frauen der Evangelisch-methodistischen Kirche verweisen, die in der Ukraine selber oder in angrenzenden Ländern mit ukrainischen Binnenvertriebenen und Flüchtlingen arbeiten.
 
In einem Online-Treffen beschrieb Denis Kim, der sich aus Kyiv zugeschaltet hatte, die Situation in der ukrainischen Hauptstadt kürzlich als «ein bisschen besser» als noch vor einem Monat. Obwohl regelmässig Sirenen zu hören seien, «scheinen die Menschen nicht mehr so deprimiert zu sein». Er vermute, dass sich die Wärme und das Sonnenlicht positiv auswirkten. Und als Jana Krizova, Pfarrerin und Koordinatorin der Arbeit mit Flüchtlingen in Tschechien, einige Aspekte der Situation in ihrem Land beschrieb, schloss sie sich dieser Vermutung an: «Die Helligkeit der langen Tage und der Sonnenschein helfen den Menschen in ihrer Situation.»
 
Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass der grausame Krieg und das Leid in der Ukraine weitergehen. Dass es in der Ukraine zum Beispiel an Salz mangelt und die Preise in die Höhe schiessen. Dass auch die Situation im Blick auf die Verfügbarkeit und die Bezahlbarkeit von Benzin äusserst herausfordernd ist - was es schwierig macht, an die Grenze zu fahren, um dort humanitäre Hilfe aus dem Ausland abzuholen. Oder die Verteilung von humanitärer Hilfe im Lande zu organisieren.
 
Es ändert auch nichts an der Tatsache, dass die Frage, ob man die Ukraine verlässt oder nicht, zunehmend auch eine Frage von Arm und Reich ist, wie Denis Kim erwähnte. Es sind oft eher ärmere Menschen, die keine andere Wahl haben, als zu bleiben und sich der aktuellen Situation zu stellen.
 
Und es ändert nichts an der Tatsache, dass in den Nachbarländern der Ukraine vor allem diejenigen, die sich (noch) nicht für einen dauerhaften Verbleib in ihrem Gastland entschieden haben, sondern noch immer hoffen, eines Tages in die Ukraine zurückkehren zu können, in einer sehr belastenden Situation der Unsicherheit und des spannungsvollen Wartens leben.
 
Nein, an all diesen Umständen ändert das Sonnenlicht nichts. Aber angesichts der Tatsache, dass die Tageslänge ab heute wieder abnehmen wird, könnte dies als Erinnerung für diejenigen dienen, die Menschen aus der Ukraine begleiten. Eine Erinnerung, wie wichtig es ist, nicht müde zu werden, ein Licht der Liebe und Hoffnung in das Leben dieser Menschen zu bringen. Und das ist es, was die Menschen der EMK in den Ländern, die direkt oder indirekt an die Ukraine grenzen - und in der Ukraine selbst - weiterhin tun. Einige Beispiele:
 
•      Mitglieder der EMK-Gemeinde in Trebon (Tschechien) haben in ihren Räumlichkeiten eine Integrationsgruppe für ukrainische Familien eingerichtet, die jeweils werktags geöffnet ist. Ziel dieses in Zusammenarbeit mit der Stadt Trebon durchgeführten Projekts ist, Müttern mit kleinen Kindern bei der Kinderbetreuung zu helfen, da die Kindergärten in Trebon keine freien Kapazitäten haben. Inzwischen treffen sich tschechische und ukrainische Mütter mit ihren Kindern regelmässig in den Räumlichkeiten der Kirche, und die Integrationsgruppe macht ihrem Namen alle Ehre.

 •      In Tachov (Tschechien) wird in der Kirche wieder Kleidung verteilt. Mehrere Wochen bestand daran kein Interesse. Doch inzwischen gehen die Vorräte des Roten Kreuzes zur Neige, was die Menschen dazu bringt, sich nach Alternativen umzuschauen.
 
•      Ein Mitglied der EMK-Gemeinde in Jablonne (Tschechien) hilft einer Gruppe von 12 ukrainischen Gästen dabei, einen Gemüsegarten rund um das Kirchengebäude anzulegen und sich teilweise selber zu versorgen.
 
•      Die EMK in Ungarn setzt ihre humanitäre Hilfe (Lebensmittelspenden) fort – sowohl für die EMK in der Ukraine als auch für ein Flüchtlingslager in der Nähe von Debrecen, in dem mehr als 170 Menschen leben.
 
•      Die EMK-Gemeinden in Kielce und Pulawy (Polen) haben schon mehrere Transporte von Lebensmitteln, Kleidung und medizinischen Hilfsgütern in die Ukraine organisiert. Ausserdem bereiten sie eine Sendung für ein Waisenhaus in Polen mit Kindern aus der Ukraine vor.
 
•      Laut Aussagen von Pfarrer Rares Calugar in Cluj-Napoca (Rumänien) sind die Vorbereitungen für einen weiteren Transport von Medikamenten und medizinischer Ausrüstung in ein Krankenhaus im Süden der Ukraine angelaufen - trotz anderslautender Ankündigungen scheint die Tür für solche Sendungen weiterhin offen zu stehen.
 
•      Eine ukrainische Psychologin bietet in Cluj-Napoca weiterhin Hilfe und Beratung in Form einer Gruppentherapie an. Zusätzlich zur bestehenden Gruppe soll bald eine zweite hinzukommen.
 
•      Das rumänische Sommerlager 2022 wird mehrsprachig sein: 30 Menschen aus der Ukraine, die regelmässig die Gottesdienste der EMK in Rumänien besuchen oder Teil der Verbindungsgruppe sind, haben sich angemeldet - ein eindrucksvoller Ausdruck für die gelungene Integration der ukrainischen Gäste in die regulären Gemeindeaktivitäten.
 
•      Die EMK in der Slowakei bringt weiterhin humanitäre Hilfe (hauptsächlich Lebensmittel, aber auch andere Dinge) nach Ushhorod und Kamenica in der Karpatho-Ukraine, wo sich zwei EMK-Gemeinden befinden, die sich um Binnenvertriebene kümmern. Ausserdem werden Sendungen in ein Kinderkrankenhaus in Mukachevo gebracht.
 
Obwohl diese Aktivitäten oft nur ein Tropfen auf den heissen Stein zu sein scheinen, bedeuten sie den Menschen, denen geholfen wird, sehr viel - und sie bringen weiterhin Licht in ihr Leben. Auch wenn die Dauer der natürlichen Beleuchtung durch direktes Sonnenlicht ab heute wieder abnimmt.
 
Quelle: Urs Schweizer, Assistent des Bischofs Patrick Streiff, Zürich