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Zuwendung ist mehr als offene Türen zu haben

Als 1992 Christen aus Deutschland begannen, Hilfsgüter ins albanische Bergdorf Bishnica zu bringen, war Gjergj Lushka gerade mal vier Jahre alt. Es waren aber nicht nur materielle Dinge, die den beschwerlichen Weg unter die Räder nahmen – die Mitarbeitenden pflanzten auch Samenkörner des Glaubens in die Herzen vieler Menschen. Auch in jenes von Gjergj.

Es war kein Zufall, dass Gjergj Lusaka schon als Kind Teil der neu entstehenden EMK in Albanien war. Dann jedoch machten seine Eltern einen Schritt, den infolge fehlender Perspektiven bis heute viele tun: Sie zogen nach Elbasan, um in der viertgrössten Stadt des Landes eine bessere Zukunft zu finden. 
 
Die EMK in Albanien hatte jedoch schnell verstanden, dass sich kirchliche Aufbauarbeit nicht darin erschöpft, mit offenen Türen auf die Menschen zu warten. Deshalb wurden ab dem Jahr 2008 neue Gemeinden gegründet – wobei der Fokus auf Städten lag, in welche die Menschen zogen, und nicht auf Dörfern, die sich zunehmend entvölkern. 
 
Als junger Mann zog Gjergj Lushka dann von Elbasan nach Tirana, um an der dortigen Universität Sozialarbeit und Gesellschaftspolitk zu studieren. Und weil es in der albanischen Hauptstadt inzwischen ebenfalls eine EMK-Gemeinde gab, wurde diese für ihn zur geistlichen Heimat. Nach Abschluss seines Studiums fand er bei der Organisation «Hilfe zum Leben» eine Anstellung als Sozialarbeiter und sammelte wertvolle Erfahrungen in der Förderung und Integration von Kindern mit einer Behinderung sowie in der Begleitung ihrer Eltern. 
 
Weil gerade in diesem Bereich vieles fehlt, was andernorts als selbstverständlich gilt, baute die EMK ein eigenes «Zentrum für Früherkennung und -intervention» auf. Hier konnte Gjergj Lushka nun – in Zusammenarbeit mit anderen Fachpersonen –  sein Wissen und seine Erfahrung einbringen. Gespräche, Therapien und Beratung wurden zu spezifischen Formen der Zuwendung. Sie liessen die Betroffenen spüren, dass die EMK in Albanien nicht eine Kirche ist, die den Menschen nahe sein will, sondern eine, die es auch tatsächlich ist
 
Dann musste die Zusammenarbeit mit der Organisation «Hilfe zum Leben» beendet und das «Zentrum für Früherkennung und -intervention» geschlossen werden. Das Anliegen jedoch blieb, und die Verantwortlichen wussten, dass sie nach Wegen suchen würden, um die Arbeit wieder fortsetzen zu können. Nicht um eines guten Rufes willen, sondern weil dieser Dienst für die Menschen so wichtig ist.
 
Zuerst eröffnete sich jedoch eine ganz andere Möglichkeit, um Zuwendung zu leben. Menschen der EMK, die nach Durrës gezogen waren, baten darum, auch in dieser Stadt an der Adria eine Gemeinde aufbauen zu können. Nach sorgfältigen Abklärungen wurde schliesslich Gjergj Lushka, der inzwischen auch ein von der Kirche des Nazareners angebotenes Theologiestudium begonnen hatte, mit dem Aufbau dieser neuen Gemeinde beauftragt. Im Juli 2017 fand der erste Gottesdienst in einer gemieteten Wohnung statt. Jeden Sonntag fährt Gjergj Lushka nun die 35 km von Tirana nach Durrës, um zu predigen. Unterstützt wird er von Ehrenamtlichen – und so wächst nicht nur das Programm (àGottesdienste, Bibelstunden, Englischkurse), sondern auch das Beziehungsnetz in Durrës. Die EMK versucht hinzuhören, was die Bedürfnisse der Menschen sind, und überlegt sorgfältig, wie eine angemessene Antwort aussehen könnte. Dieser Ansatz hat sich bisher bewährt, auch wenn er nicht so spektakulär sein mag, wie Pioniere quasi mit dem Fallschirm irgendwo abzuwerfen und ihnen den Auftrag zu geben «Mach mal!»
 
Im Leitungsteam der EMK in Albanien ist Gjergj Lushka zuständig für die Entwicklung sozialdiakonischer Projekte. Deshalb steht er schon seit Monaten in engem Kontakt mit den Behörden der Stadt Tirana. Diese haben der EMK die Erlaubnis erteilt, ein neues «Zentrum für Früherkennung und -intervention» für Kinder zweier Stadtkreise einzurichten. Es sind nicht nur Angehörige aller Generationen, welche die menschenzugewandte Art der EMK in Albanien schätzen – die Kirche wird auch von staatlichen Behörden als vertrauenswürdige und zuverlässige Partnerin wahrgenommen. Unter der Leitung von Gjergj Lushka werden eine Psychiaterin mit 30-jähriger Erfahrung in der Arbeit mit Kindern mit Behinderungen sowie zwei weitere Angestellte in diesem neuen Zentrum arbeiten. Sie haben von den Behörden bereits Listen von Kindern erhalten, die begleitet und gefördert werden sollen. Nun geht es darum, diese Listen zu verifizieren, den Kontakt zu den Eltern zu knüpfen und die Angebote des Zentrums vorzustellen. Zwar wird die Betriebsphase vorläufig befristet sein; das Ziel besteht aber darin, auf unbeschränkte Zeit für Menschen da sein zu können.
 
Immer wieder erleben die Verantwortlichen, wie Gott Menschen beruft, befähigt und sendet. Gleichzeitig versuchen sie mit offenen Augen die Nöte in der Gesellschaft wahrzunehmen. Und wo sich dann als Folge davon Gottes Sendungsauftrag «Geh!» und die menschliche Bitte «Komm!» treffen, kann durch eine authentische Zuwendung neue Hoffnung entstehen.

Quelle: EMK in Albanien