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16 Betten der Heilung und der Hoffnung

Der Westen der Ukraine ist von den kriegerischen Handlungen bisher weitgehend verschont worden. Trotzdem sind die Folgen des Krieges auch hier zu spüren. Viele Binnenvertriebene haben Zuflucht gesucht – und brauchen Hilfe. Ein kleines, von Freiwilligen aufgebautes Krankenhaus, ist für viele zu einem entscheidenden Ort der Heilung und Hoffnung geworden.
 
Iwano-Frankiwsk ist eine ukrainische Universitätsstadt im Karpatenvorland, im Westen des Landes. Gut 200'000 Menschen lebten hier. Dann, Ende Februar 2022, begann der Krieg. Dass sich Millionen von Frauen, Kindern und auch Männern westwärts in Bewegung setzten, wurde auch in Iwano-Frankiwsk spürbar. Viele der Ankommenden wollten sich in benachbarten Ländern in Sicherheit bringen. Von jenen, die ihre unmittelbare Heimat oft nicht freiwillig verlassen hatten, sondern die aufgrund der Gewalt und der Zerstörungen gar keine andere Wahl hatten, blieben aber auch nicht wenige in Iwano-Frankiwsk. Teilweise kamen sie aus den am härtesten umkämpften Gebieten im Süden und Osten der Ukraine – und in mehr als 1'000 Fällen aus Krankenhäusern in der Gegend von Luhansk und Donetsk, die evakuiert werden mussten.
 
In Iwano-Frankiwsk und umliegenden Dörfern fanden viele ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen. Deutlich schwieriger war und ist es hingegen, auch eine bezahlte Arbeit zu finden, um sich aus eigener Kraft über Wasser halten zu können. Die Arbeitslosigkeitsrate ist deshalb, wenig verwunderlich, im Laufe des letzten Jahres gestiegen. Und: Rund 30% der Binnenvertriebenen haben keinen Zugang zu einer medizinischen Versorgung, da das Gesundheitssystem überlastet ist. Dies ist deshalb sehr beunruhigend, weil gerade die aus dem Süden und Osten des Landes ankommenden Menschen nicht nur körperliche Verletzungen haben, sondern auch seelische.
 
Weil unter den in Iwano-Frankiwsk lebenden Binnenvertriebenen auch hochqualifizierte Spezialistinnen und Spezialisten aus dem Gesundheitswesen das Los der Arbeitslosigkeit mit anderen Menschen teilten, beschlossen einige unter ihnen, ihre Fähigkeiten sinnstiftend einzusetzen. Sie gründeten die NPO «Gezielte Aktion» («Spryamovana Diya»), bauten das «Erste chirurgische Freiwilligen-Krankenhaus» auf und begannen mit grossem Engagement – und dank der Unterstützung aus dem Ausland – Hilfe zu leisten. Staatliche Unterstützung erhalten sie bis heute praktisch keine – dazu ist das Krankenhaus schlicht zu klein.
 
Die Aktivitäten haben drei Schwerpunkte. Die chirurgische Abteilung umfasst 16 Betten. Hier nehmen sich die Fachleute vor allem Menschen mit Verletzungen am Stütz- und Bewegungsapparat sowie an den Gliedmassen an. Da diese Verletzungen zumeist in direktem Zusammenhang mit Kriegshandlungen stehen, beschränkt sich die Behandlung nicht auf die chirurgischen Eingriffe, sondern sie ist ganzheitlicher ausgerichtet. So ist auch immer eine psychologische Fachperson im Einsatz.
 
In einer Polyklinik steht die therapeutische und psychologische Hilfe für Binnenvertriebene im Vordergrund; darüber hinaus sind jedoch noch weitere Fachpersonen ganz unterschiedlicher medizinischer Gebiete im Einsatz. Die Poliklinik wird durchschnittlich von rund 350 Personen pro Monat aufgesucht.
 
Ein aus Fachpersonen unterschiedlicher medizinischer Richtungen bestehendes mobiles Interventionsteam schliesslich sucht Binnenvertriebene auf, die in eigens bereitgestellten Massenunterkünften untergebracht sind. Auch hier geschieht die Arbeit ganzheitlich – neben der Hilfe bei körperlichen Problemen wird auch der psychologischen Unterstützung grosse Bedeutung beigemessen. Mit einem eigenen Ambulanzfahrzeug können hilfebedürftige Menschen nötigenfalls in ein Krankenhaus gebracht werden – für einen stationären Aufenthalt oder für zusätzliche Untersuchungen (CT, MRI, Ultraschall usw.). Bei monatlich 12 bis 15 Besuchen werden bis zu 150 Menschen medizinisch betreut.
 
Heute sind rund 70% der in diesem Krankenhaus arbeitenden Fachpersonen selber Binnenvertriebene. Sie wissen um die Realitäten jener, denen sie Hilfe und Zukunft schenken wollen.
 
Die Evangelisch-methodistische Kirche (EMK) in Tschechien steht in Kontakt zu diesem Krankenhaus und unterstützt die vielseitigen Aktivitäten, von denen im vergangenen Jahr deutlich über 5'000 Menschen profitieren konnten. Dank der Spenden von Einzelpersonen, Gemeinden und einer Stiftung haben auch die EmK in Deutschland und Connexio develop kürzlich über die EMK in Tschechien diese Hilfe für ukrainische Menschen in Not unterstützt – um Heilung zu ermöglichen und Hoffnung zu säen.
 
Quelle: First Voluntary Surgical Hospital, Iwano-Frankivsk / EMK Tschechien / Urs Schweizer