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Was nützen offene Türen ohne offene Augen und ein offenes Herz?

Zu den 23 EMK-Gemeinden in Tschechien gehört auch eine russischsprachige Gemeinde. Was bedeutet es für deren Pastor, Menschen in die Nachfolge von Jesus Christus zu führen, um so die Welt zu verändern?

Sein Urgrossvater war wegen seines Glaubens an Gott verfolgt, als Volksfeind angeklagt, auf Befehl Stalins zum Tod verurteilt und 1937 durch ein Erschiessungskommando hingerichtet worden. Sein Grossvater, ebenfalls Christ und Evangelist, war im Zweiten Weltkrieg gefallen. Sein Vater, Pastor zweier russischer Gemeinden, war drei Jahre lang in deutscher Kriegsgefangenschaft gewesen. Dass Lev Shults, Pastor der Ende 2017 gegründeten russischsprachigen EMK-Gemeinde in Prag eine verklärte Sicht von einem Leben in der Nachfolge von Jesus Christus hätte, kann deshalb wahrlich nicht behauptet werden. Aber auch er widmet sein Leben der Verkündigung des Evangeliums. Dabei ist ihm die Offenheit wichtig, immer wieder auch neue Wege zu gehen. «Ich bin überzeugt, dass ich als Pastor und Missionar eine Verantwortung trage, jede Gelegenheit, die Gott mir eröffnet, zu nutzen, um das Evangelium weiterzugeben.»

Gerade im Gehen neuer Wege hat Lev Shults eine prägende Erfahrung gemacht: «Wenn wir uns Gott zur Verfügung stellen, wird er uns mit allen möglichen Menschen in Kontakt bringen, von Berühmten und Respektierten bis zu Einfachen und Verachteten.» Dies bestärkt ihn darin, sich den Menschen unabhängig von sozialem Status, Ausbildung oder Nationalität zuzuwenden. Für ihn sind dies ohnehin nur weltliche Massstäbe.

Wenn er sich deshalb mit einem früheren Ministerpräsidenten und Wegbegleiter von Václav Havel oder einem früheren Verteidigungsminister unterhält, ist Lev Shults davon überzeugt, dass er das Evangelium allen Menschen schuldig ist, und dass diese bekannten Männer nicht weniger auf Fürbitte angewiesen sind als «jeder unbekannte Obdachlose, der darum kämpft, einen weiteren Tag zu überleben». Manchmal helfen solche Beziehungen zu einflussreichen Menschen, neue Türen zu öffnen. So kann sich Lev Shults an einer Kunstschule für russischsprachige Jugendliche betätigen, indem er Vorträge über wichtige Gestalten der tschechischen Kirchengeschichte hält. Im Rahmen dieser Lehrtätigkeit spricht er aber nicht nur über das Leben dieser Menschen, sondern auch über ihren Glauben an Jesus Christus, der sie angetrieben hat. Lev Shults ist überzeugt: «Das ist die Bildung, die diese jungen Menschen brauchen, und es liegt in unserer Verantwortung, sie ihnen zu vermitteln.» Auch am Russischen Zentrum für Wissenschaft und Kultur hält er regelmässig Vorträge und erreicht dadurch neue Bevölkerungskreise.

Daneben erlebt Lev Shults aber auch, wie Gott ihn – zusammen mit anderen – zu den Armen und Verzweifelten sendet und ihm, wenn er bereit ist, diesem Ruf zu folgen, auch die Mittel gibt, diesen Menschen in ihrer Not zu helfen. In diesen Momenten wird gelebter Glaube auf ganz andere Weise konkret: im Verschenken von Lebensmitteln, Kleidung und weiteren Zeichen der Hoffnung und der Liebe.

Als Pastor einer russischsprachigen Gemeinde in Tschechien weiss Lev Shults auch um die Notwendigkeit eines versöhnten Miteinanders über die Grenzen von Kulturen und Nationen hinweg: «Ich glaube, dass Christen aus verschiedenen Ländern immer in der Lage sein sollten, in Jesus Christus eine gemeinsame Basis zu finden». Deshalb bezeichnet er es als Segen, dass in seiner Gemeinde Russen und Ukrainer – trotz des Antagonismus zwischen ihren Herkunftsländern – gemeinsam unterwegs sind. Weil Gott grösser ist als die Politik dieser Welt. Nachdenklich fügt er aber auch an: «Leider kann nicht jede russische oder ukrainische Kirche dasselbe von sich behaupten.»

Eine weitere Möglichkeit, Menschen über die Grenzen von Nationen und Kulturen hinweg mit dem Evangelium zu erreichen, ist der «biblische Englischunterricht». Diese Kurse sind eine gute Möglichkeit, kirchlich wenig sozialisierte Freunde einzuladen. Diese machen in einer fröhlichen Gemeinschaft sprachliche Fortschritte und lernen gleichzeitig auch wichtige Aspekte des christlichen Glaubens kennen.

Schliesslich werden auch regelmässig Aktivitäten für junge Menschen organisiert, die Gemeinschaft ermöglichen, Beziehungen stärken und Glauben wecken: Exkursionen, Sommercamp, Tischtennis-Turnier, Konzerte… 2019 nahm auch ein Team an einem landesweiten Fussballwettbewerb der Kirchen Tschechiens teil – und gewann sogar den Pokal. Ebenfalls erfolgreich war ein Team, das 2018 an den Internationalen Bibelmeisterschaften in Prag teilnahm und den dritten Rang erreichte.

Lev Shults und die russischsprachige EMK-Gemeinde möchten auch künftig offene Türen wahrnehmen und gehen, wohin Gott sie sendet. Es ist ihr Gebet, dass Gott die vielen leeren Kirchen des Landes füllt, und dass diese Gebäude nicht in erster Linie besucht werden, um Fotos zu machen, sondern um dort Gott zu begegnen.

Quelle: Pastor Lev Shults, Prag / Urs Schweizer, Assistent des Bischofs Patrick Streiff, Zürich

Foto: Pastor Lev Shults ist den Menschen zugewandt – nicht nur jenen, die sonntags in die Kirche kommen.